Pferd – Selektive Entwurmung

Dr. M. Hallinger

Wurmbefall beim Pferd: Warum nicht einfach entwurmen?

Infektionen mit parasitären Würmern sind eine der häufigsten Erkrankungen beim Pferd. Die sogenannten gastrointestinalen Helminthen („Würmer“) gefährden Pferde aller Altersgruppen. Insbesondere Fohlen und Jungtiere sind bedroht, da sie über eine weniger ausgeprägten Immunstatus gegen die Parasiten verfügen als ältere Tiere. Da die erwachsenen Tiere – häufig ohne Krankheitsanzeichen – Träger der Parasiten sind, können sich Jungtiere an diesen problemlos anstecken.

Innerhalb der letzten 50 Jahre wurden verschiedene breit wirksame und gut verträgliche Wurmmittel entwickelt, deren Anwendung nachweislich dazu geführt hat, dass heutzutage bestimmte Pferdeparasiten (z.B. große Strongyliden) kaum noch bei Pferden in Deutschland nachgewiesen werden. Nichtsdestotrotz stellen Wurminfektionen heutzutage immer noch ein großes Problem bei der Pferdehaltung da. Wurm ist eben nicht gleich Wurm, bei Pferden parasitieren viele verschiedene Wurmarten und diese müssen auch – je nach „Wurmart“ – mit unterschiedlichen Medikamenten behandelt werden.

Da sich wirksame Anthelminthika („Wurmkuren“) seit mehreren Jahren Einsatz befinden und eben kein striktes Monitoring erfolgte stehen wir derzeit vor einer maßgeblichen Selektion resistenter Wurmpopulationen. Insbesondere bei sogenannten kleinen Strongyliden (Cyathostominae, umgangssprachlich auch„kleiner Blutwurm“) und dem Pferdespulwürmern (Parascaris spp.) treten vermehrt Resistenzen gegen herkömmliche Wurmkuren auf. So fordert die aktuelle Situation ein Umdenken aller Beteiligten, sowohl der Tierärzte auch der Pferdebesitzer/Halter. Leider werden herkömmliche Entwurmungen der aktuellen Situation nicht mehr gerecht. Ganz im Gegenteil: Sie führen zur Entwicklung von immer mehr Resistenzen bei den einzelnen Parasitenarten, weil unsachgemäß und zu hochfrequent entwurmt wird. Eine Reduzierung der Behandlungsintensität ist also als eine Voraussetzung zu sehen, um ein Fortschreiten der Arzneimittelresistenzen bei Pferdewurmkuren einzudämmen. Pferde unterschiedlicher Altersgruppen benötigen also individuelle Behandlungen, um eine sachgemäße Steuerung des Wurmbefalls zu gewährleisten. „Wurmfrei“ kriegt man nämlich kaum eine Weide, wie die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben.

Die „gefährlichsten“ und häufigsten Würmer bei Pferden

Untersuchungen haben gezeigt, dass in ganz Deutschland de fakto bei jedem Pferdebetrieb von einem Vorhandensein von kleinen Stongyliden (Cyathostominen, „kleine Blutwürmer“) auszugehen ist. Diese Würmer zeigen ein breites Vorkommen, es sind über fünfzig verschiedene Arten beschrieben. Problematisch ist, dass sie evolutionär gut an den Wirt (also das Pferd) angepasst sind. So kommt es häufig nicht zu unmittelbar sichtbaren Erkrankungserscheinungen. Für Jungtiere sind diese Würmer besonders gefährlich, als Folge tritt teilweise die Entstehung der „larvalen Cyathostominose“ auf: Bei diesem Krankheitsbild wandern gleichzeitig – zuvor in der Darmwand eingekapselte – Wurmlarven zu Hunderttausenden aus der Darmwand Richtung Darmlumen aus, es kann zu Schleimhautschäden in Dick- und Blinddarm kommen. Außerdem kann womöglich Abmagerung, Durchfall, Schwellungen an den Gliedmaßen bei betroffenen Pferden beobachtet werden, teilweise versterben erkrankte Tiere sogar unmittelbar.

Weiterhin bedeutsam sind sogenannte Spulwürmer (Parascaris equorum und Parascaris univalens). Die Larven dieser Würmer führen beding durch Ihren Entwicklungszyklus Körperwandungerungen durch (Lunge, Leber), es kann zu Krankheitssymptomen wie Husten oder Nasenausfluss kommen.

Auch Bandwürmer (Anoplocephala) sind häufig anzutreffen, es sind wahrscheinlich 15-30% alle Betriebe betroffen. Bei einem Befall siedeln sich diese Würmer am Übergang von Blinddarm zum Hüftdarm an der sog. Ileozäkalklappe an. Diese Anheftung führt zu Schleimhautschäden und teilweise sogar zur Perforation der Darmwand. Weiterhin sind Darmverschlüsse oder Darmeinstülpungen beschrieben, sodass auch diese Würmer als durchaus hoch problematisch anzusehen sind.

Möglichkeiten zur Wurmkontrolle

Leider lassen sich, um die Wurminfektionen einzudämmen, nur Wurmkuren und Hygienemaßnahmen einsetzen. Impfstoffe gegen Wurminfektionen stehen (bisher) beim Pferd nicht zur Verfügung. Deshalb sollte eine effiziente Hygiene im Stall und auf der Weide durchgeführt werden, damit der Wurminfektionsdruck so stark wie möglich eingedämmt wird. So müssen auch weniger Wurmkuren angewendet werden. Kombiniert mit regemäßiger parasitologischer Überwachung („Wurmtests“, „Wurmuntersuchungen“) können so Pferdehalter maßgeblich einen Betrag zur Gesunderhaltung des Bestandes beitragen. Tierhaltung bedeutet Verantwortung, für das Tier und die Umwelt. So sollten mehrmals jährlich Kotuntersuchungen durchgeführt werden.

Die Anwendung von Wurmkuren hat eine Schlüsselposition bei der Therapie und Bekämpfung von Wurminfektionen. Problematisch ist jedoch, wie bereits beschrieben, dass Fohlen, aber auch Jährlinge, teilweise bis zu 8x/Jahr entwurmt werden. Diese hohe Behandlungsfrequenz wird von Wissenschaftlern mittlerweile als Hauptursache für die Entstehung von „Wurmkurresistenzen“ gesehen. Eine Neuausrichtung mit dem Ziel der Reduzierung der Einsatzfrequenz zur Erhaltung der Wirksamkeit dieser Arzneimittel muss stattfinden und sollte für uns alle als oberstes Ziel gelten.

Mögliche, einfach durchführbare Hygienemaßnahmen zur Wurmkontrolle nach Samson-Himmelstjerna (2016)

  1. tägliches Ausmisten
  2. regelmäßiges Reinigen der Boxen, Gitterwände, Tränken, usw.
  3. Mindestens 1x jährliche Desinfektion der Boxen mit einem wurmwirksamen Präparat
  4. Gründliches Entfernen der Kothaufen mindestens 1x wöchentlich
  5. Frühjahrsschnitt zur Reduzierung der überwinterten Larvenpopulation
  6. Geregelte Beweidung zur Entfernung von Geilstellen
  7. Wechselbeweidung (beispielsweise mit kleinen Wiederkäuern)
  8. am besten gar nicht mit Pferdemist düngen
  9. Pfriemenschwanzbefall (Oxyuriden): tägliche Reinigung des Anus sowie Unterseite des Schweifs mit feuchtem Lappen, dabei Entfernung und Entsorgung der Eischnüre der Pfriemenschwänze
  10. im Sommer/Herbst: wöchentlich 1-2 Mal Gliedmaßen und Brust mit einem feucht-warmen Tuch abreiben (Entfernen der Dasselfliegeneiern)

Nicht jedes Pferd behandeln: Die Selektive Entwurmung (SE)

Hygienemaßnahmen allein reichen jedoch nicht zu effektiven Bekämpfung der Wurmbürde auf einem Hof oder in einem Pferdebestand. Sie sollten mit dem strikten Programm der selektiven Entwurmung kombiniert werden. Dieses moderne Programm zum Parasitenmanagement sorgt dafür, dass nur einzelne Tiere entwurmt werden. Diese Methode wurde erfolgreich von kleinen Wiederkäuern (Schafe, Ziegen) auf Pferde übertragen. Das Risiko einer erneuten Infizierung wird hierdurch stark eingeschränkt, es werden nur Pferde behandelt, deren Wurmbefall behandlungswürdig ist. Es ersetzt also die herkömmliche regelmäßige Entwurmung; Gemeinsam mit einer guten Weidehygiene ist Sie eine valide Methode der steigenden Zahl von Wurmresistenzen gemeinsam als Tierärzte und Pferdehalter zu begegnen.
Mehrere Studien haben festgestellt, dass ca. 70-80% aller adulten Pferde langfristig keine gesundheitsbeeinträchtigende Menge an Würmern in sich tragen. Somit sind diese Pferde zuvor viel zu hochfrequent entwurmt worden, bei diesen Tieren sind regelmäßige Entwurmungen nicht nötig. Bei der Selektiven Entwurmung werden diese Tiere identifiziert, im Labor die einzelnen Parasiteneier in EpG (Eier pro Gramm Kot) mittels sog. McMaster-Verfahren gezählt. Daraufhin wird eine absolute Ei-Zahl berechnet, um bestimmen zu können, wie groß die Menge der Wurmeier ist, die das einzelne Pferd ausscheidet. Je nach Testergebnis des Wurmtests wird eine Entscheidung für oder gegen eine Entwurmung des Pferdes getroffen.

Das Testprinzip: Pferde mit einem Wert unter 200 EpG benötigen nach Absprache der Parasitologen keine Wurmkur. Nur Pferde mit einem Wert über 200 EpG sollten heutzutage mit einer Wurmkur versorgt werden. 2 Wochen nach der Eingabe sollte eine zweite Kotprobe abgegeben werden, um die Wirksamkeit des applizierten Medikamentes zu kontrollieren (sog. Wirksamkeitsprobe).

Einlaufphase der selektiven Entwurmung: Kotuntersuchungen im ersten Jahr

Zu Beginn des Selektiven Entwurmungs-Programms werden die im einzelnen Bestand vorkommenden Parasitenarten sowie der jeweilige Infektionsdruck und die Wirksamkeit der Anthelminthika (Wurmkuren) mittels Wirksamkeitsprobe bestimmt. Hierzu sollten von jedem Pferd im ersten Jahr vier Kotproben (sog. Monitoring-Proben) gesammelt werden. Hierzu werden je zwei Kotuntersuchungen im Frühjahr im Abstand von ca. 6 – 8 Wochen sowie eine im Hochsommer und eine im Herbst untersucht. Wird zu einem anderen Zeitpunkt im Jahr mit dem Programm begonnen sollte aber im Frühjahr beachtet werden, dass bei allen Pferden eine Kotuntersuchung durchgeführt werden muss, bevor diese auf die Weide gehen. Falls die Pferde das ganze Jahr über weiden, kann die erste Kotuntersuchung Mitte März einplant werden. Nach der ersten Untersuchung werden alle Tiere, bei denen der Grenzwert von 200 EpG nachgewiesen wurde, behandelt. Im Juni-August wird eine zweite Kotuntersuchung vorgenommen und nur die Pferde, bei denen eine hohe Eizahl festgestellt wird, werden behandelt. Im Herbst raten wir zu einer letzten Kotuntersuchung. Je nach Höhe des Infektionsdrucks kann zusätzlich von Dezember bis Januar eine Behandlung gegen Magendasseln (Gasterophilus) und eventuell eingekapselte Cyatostominen eingeleitet werden.

Nach dem ersten Jahr und dem ersten Durchlauf an selektiven Behandlungen stellen wir in der Regel fest, dass einzelne Pferde während der gesamten Weidesaison eine niedrige Wurmeizahl aufgewiesen haben. Diese Tiere haben demzufolge das ganze Jahr über keine Entwurmung nötig gehabt. Nach dem ersten Jahr kann somit auch festgestellt werden, wie hoch der Infektionsdruck auf der betroffenen Weide ist.

Selektive Entwurmung nach der Einlaufphase (zweites Jahr und folgende Jahre)

Nach der Einlaufphase sind bei Tieren, die im vorherigen Jahr wenige Eier ausgeschieden haben, manchmal nur noch zwei Kotuntersuchungen jährlich ausreichend. So kann dann nur noch eine Kotprobe im Frühjahr und dann eine Kotprobe im Herbst untersucht werden. Bei Änderungen der Lebensumstände des Pferdes sollte jedoch untersucht werden, wie das Pferd mit diesen Veränderungen klarkommt und gegebenenfalls mit einem höherfrequenten Untersuchungsintervall reagiert werden. So sollte bei Wurmbekämpfung mittels SE der Pferdebesitzer bereit sein, den Infektionsdruck in der Umgebung des Pferdes so niedrig wie möglich zu halten.

Eingekapselte Larven im Winter: Was tun?

Pferde im Alter bis 5-6 Jahren sind besonders anfällig für eingekapselte kleine Strongyliden („kleine Blutwürmer). Junge Tiere z.B. Fohlen oder Jährlinge, die auf kontaminierten Weiden stehen, sollten deshalb im November präventiv mit einem bestimmten Wirkstoff (Moxidectin) behandelt werden. Dieser Stoff bekämpft außerdem die sogenannten „Magendasseln“ (Gasterophilus). Eventuell kann diese Behandlung auch mit einer Behandlung gegen Bandwürmer (Anoplocephala) kombiniert werden.

Vorteile der Selektiven Entwurmung beim Pferd

  1. Wurmbekämpfungs-Management des Einzeltieres oder des gesamten Bestandes/Hofes durch vorherige Kontrolle der Behandlungsnotwendigkeit und einer Kontrolle der Behandlungswirksamkeit.
  2. Kenntnis über den Endoparasiten Status des Einzelpferdes oder aller Pferde im Bestand. Identifizierung der „Ausscheider“ und damit eine gezielte Behandlung dieser Tiere zum Tierwohl des gesamten Hofes
  3. Vermeidung/Verlangsamung von Resistenzbildung gegen Anthelmintika (Wurmmitteln, Wurmkuren), Erhaltung der Wirksamkeit der Wurmkuren
  4. Reduzierung des Einsatzes von Entwurmungen, somit „weniger Chemie“
  5. Selektive Entwurmung ist grün: Pferdekot von entwurmten Pferden tötet nicht nur die parasitierenden Würmer ab, sondern auch Lebewesen im Boden und gelangt auch ins Grundwasser und belastet dieses
  6. Weidekontamination reduzieren

Nachteile der Selektiven Entwurmung beim Pferd

  1. Keine Anwendbarkeit bei Fohlen/jungen Pferden, diese sollten strategisch entwurmt werden
  2. Pferde unterhalb des Grenzwertes sind keinesfalls „wurmfrei“, im Gegenteil, sie können zehntausende bis hunderttausende Würmer in sich tragen und sie scheiden trotzdem Wurmeier aus; kontaminieren weiterhin die Weide
  3. Insgesamt im Vergleich zum kleinen Wiederkäuer leider weniger effizient

Quellen/Literatur

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