Die Megabakteriose (Erkrankung an einem Hefepilz) der Ziervögel betrifft vor allem Wellensittiche, Grassittiche, Kanarienvögel und die Unzertrennlichen (Agapornis), die zu den eigentlichen Papageien (Psittaciden) gehören. Dabei handelt es sich um eine inzwischen weltweit verbreitete Infektionskrankheit des Verdauungstraktes, die anders als ihr Name vermuten lässt, nicht durch Bakterien verursacht wird, sondern durch den Hefepilz Macrorhabdus ornithogaster.
Was sind Megabakterien?
Da bei der Entdeckung der Erreger fälschlicherweise angenommen wurde, dass es sich dabei um Bakterien handelt, wurde den Hefepilzen auf Grund ihrer Größe zuerst der Name „Megabakterien“ gegeben. Megabakterien verfügen über eine dicke Zellwand, haben eine Stäbchen-Form und sind außergewöhnlich groß. Da ihnen ein Kern fehlt und man keine Pigmentgranula finden konnte, hat man zunächst nicht an Pilze gedacht und sie den Bakterien untergeordnet. Der Zellaufbau der Megabakterien und ihre Zellteilung sind denen der Pilze aber sehr ähnlich. Bei dieser Infektionskrankheit handelt es sich also um eine Infektion mit Pilzen und nicht mit Bakterien! Der Name Megabakteriose ist somit veraltet, wird aber noch verwendet. Zur leichteren Zuordnung im umgangssprachlichen Gebrauch verwenden wir die Bezeichnung hier ebenfalls noch.
Wie erfolgt die Ansteckung mit Megabakterien?
Das Problem vieler Infektionskrankheiten ist, dass viele Erreger nicht zwingend eine Erkrankung hervorrufen müssen. So ist es auch bei Macrorhabdus ornithogaster. Somit können betroffene Vögel (z.B. Wellensittiche in Zoofachgeschäften) ohne Symptome zu zeigen mit dem Hefepilz infiziert sein und die Megabakterien über den Kot ausscheiden. Die Megabakterien werden allerdings nicht permanent mit dem Kot ausgeschieden, sondern periodisch. Doch dazu später mehr (Punkt Diagnostik).
Über den Zukauf von infizierten Vögeln können die Megabakterien in den Bestand eingeschleppt werden. Dabei stecken sich die Tiere auf natürliche Weise (z.B. beim Paarungsverhalten oder bei der Paarfütterung) untereinander an. Auch beim Füttern der Nestlinge durch ihre Eltern können die Megabakterien übertragen werden. Somit können Vögel beider Geschlechter und aller Altersgruppen erkranken.
Weiterhin sind bestimmte prädisponierende Faktoren beschrieben unter denen Krankheitssymptome begünstigt werden. Dazu zählt wie bei den meisten Infektionskrankheiten vor allem Stress (z.B. durch die Mauser, Transporte oder Jungenaufzucht).
Symptome einer Megabakteriose
Wenn Symptome bei nach einer Infektion auftreten, dann betreffen sie vornehmlich den Verdauungstrakt der Vögel. Dabei besiedeln die Hefepilze vor allem den oberen Abschnitt, also den Kropf, den Drüsenmagen und in besonders ausgeprägten Fällen den gesamten Verdauungstrakt. Im Drüsenmagen verhindern die Hefepilze die Sekretion der Salzsäure und der Verdauungsenzyme aus den Schleimhautzellen, was zu einem erheblichen Anstieg des normalerweise sauren pH-Wertes im Magen führt. Dadurch können die durch das Futter aufgenommenen Nährstoffe nur erschwert verdaut werden (Maldigestion). Das führt zu dem wohl bekanntesten Problem der Megabakteriose: Abmagerung statt gesteigertem Appetit über mehrere Monate. Wegen diesem Symptom wird die Megabakteriose auch „going light syndrome“ (rapider Gewichtsverlust) im englischen genannt. Weiterhin können sich tiefe Geschwüre (Ulzerationen) in der Magenschleimhaut bilden, die auch Blutbeimengungen im Kot oder sogar verdautes Blut (Meläna) zur Folge haben können.
Weitere Symptome können sein:
- Apathie
- Gesträubtes Gefieder
- Erbrechen und Durchfall
- Kropfentzündung
- Fortgeschrittenes Stadium: unverdaute Körner im Kot
- Plötzliche Todesfälle sind ebenfalls möglich
- Im Röntgen erweiterter Drüsenmagen mit verdickter Schleimhaut
Diagnose einer Megabakteriose
Der Verdacht der Megabakteriose lässt sich auf Grund der chronischen Krankheitssymptome (v.a. die Abmagerung trotz Appetit) stellen. Auch eine Röntgenuntersuchung kann den Verdacht unterstützen (s.o. bei Symptomen). Für einen definitiven Nachweis kann man eine frische Kotprobe der Vögel unter dem Mikroskop untersuchen (Nativausstrich), in der man mittels Anfärbung (Diff-Quick oder Gram-Färbung) die großen, Gram-negativen Stäbchen nachweisen kann.
Über eine Sektion verendeter Tiere kann man ebenfalls einen Schleim- und Schleimhautabstrich am Übergang von Drüsen zum Muskelmagen durchführen.
Das Problem bei der Diagnose der Megabakteriose ist allerdings, dass die Hefepilze sehr unregelmäßig über den Kot ausgeschieden werden. Eine negative Kotuntersuchung bedeutet also noch nicht, dass keine Infektion vorliegt (sog. falsch-negatives Ergebnis). Die Kotuntersuchungen müssen theoretisch mehrfach wiederholt werden, um eine Infektion sicher auszuschließen. Andersherum gibt es eindeutig erkrankte Tiere, die nur sehr wenig der Erreger über den Kot ausscheiden. Ein ausreichend sensitiver Test ist also noch nicht verfügbar.
Letztendlich ist die mikroskopische Kotuntersuchung bei den oben erwähnten Symptomen trotzdem unabdingbar bei der Diagnose der Megabakterien. Die Erkrankung an Megabakterien wird in den meisten Fällen mittels einer Kotuntersuchung erkannt. Sie sollte bei Auftreten von Symptomen, aber auch vor dem Neukauf z.B. eines Wellensittichs aus einer Zucht oder aus dem Zoohandel – neben der Untersuchung auf Innenparasiten – vorsichtshalber durchgeführt werden.
Therapie gegen die Megabakteriose
Wie bei dem Punkt Diagnose bereits erwähnt wurde, gibt es bei der Megabakteriose noch Forschungsbedarf. Das gilt ebenfalls für die Therapie. Da es sich bei der Infektion um eine Pilzerkrankung handelt, wird bisher auf eine antimykotische Therapie (gegen Pilze) gesetzt. Eingesetzt werden vor allem der Wirkstoff Amphotericin B und auch der Wirkstoff Nystatin, die beide über den Schnabel verabreicht werden können, aber auch über das Trinkwasser. Gegen die orale Medikation spricht vor allem der Stress, der sich bei der täglichen Verabreichung über den Schnabel ergibt. Außerdem müssen die Mittel 2-4 Wochen lang verabreicht und optimalerweise der gesamte Bestand behandelt werden (symptomlose Ausscheider müssen erfasst werden). Die Verabreichung des Amphotericin B ist allerdings ebenfalls über das Trinkwasser möglich, was eine deutlich stressärmere Variante für Tier und Halter darstellt.
Unterstützend sollte eine Futterumstellung stattfinden und keine zuckerhaltigen Nahrungsmittel (z.B. Obst oder Knabberstangen) mehr verfüttert werden (Pilze ernähren sich von Zucker). Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass die Alleinfuttermittel aus Zoofachgeschäften keine artgerechte Ernährung z.B. für Wellensittiche darstellen. Für Wellensittiche sind das Selektieren und das Entspelzen der Körner in der Futtermischung ein essenzieller Bestandteil der Fütterung. Körnermischungen sollten ausgewogen und abwechslungsreich sein, damit keine ernährungsbedingten Erkrankungen (z.B. Gicht bei zu hohem Proteinanteil) entstehen.
Außerdem kann die Gabe von Weichfutter den geschädigten Drüsenmagen bei der Heilung unterstützen. Anbieter wie beispielsweise „Die Futterbude“ stellen im Internet Körnermischungen zum Aufbau aber auch zur Prophylaxe einer Megabakteriose zusammen.
Weiterhin kann man gegen den steigenden pH-Wert im Drüsenmagen versuchen mit Apfelessig oder Ascorbinsäure das Trinkwasser anzusäuern, um dem zu basischen pH-Wert entgegenzuwirken. Allerdings sollte auch dieses Mittel in Maßen eingesetzt werden.
Begleitende Hygienemaßnahmen sind wie bei anderen Infektionskrankheiten ebenfalls wichtig. Bei einer nachgewiesenen Infektion sind die Kotreste täglich zu entfernen und auf eine penible Hygiene in der Voiliere zu achten. Genauere Informationen haben wir bereits in einem Hygieneartikel auf unserer Website zusammengefasst: https://www.exomed.de/desinfektion-kaefig-und-terrarium/
Quellen:
Paper & Bücher:
K. Hanka „Untersuchungen zum Nachweis von Macrorhabdus ornithogaster bei Vögeln der Ordnungen Galliformes, Psittaciformes, Passeriformes, Anseriformes und Columbiformes sowie Versuche zur Anzüchtung des Erregers der Macrorhabdiose in vitro“ Inaugural-Dissertation, Justus-Liebig-Universität, Gießen 2008.
K. Gabrisch, P. Zwart: „Krankheiten der Heimtiere“ 6. Auflage. Schlütersche, 2005
„Megabakteriose beim Ziervogel; Ein Informationsblatt für Tierbesitzer“, Universität Zürich, Klinik für Zoo-, Heim und Wildtiere
B. Speer, D. N. Phalen, L. V. Powers, L. J. Filippich and N. Antinoff, Source: Journal „Diagnosis and Treatment Options for Megabacteria (Macrorhabdus ornithogaster)“, Association of Avian Veterinarians, (2004) round table discussion, in Journal of Avian Medicine and Surgery, 18(3): 189-195
D. N. Phalen Avian Gastric Yeast (aka Megabacteria): Should You Be Worried? (2011) in Newsletter of the Midwestern Avian Research Expo
Internet:
https://flexikon.doccheck.com/de/Amphotericin_B